Eingeliefert

In meiner Karriere als Psychiater hatte ich einige besondere Patienten. Wenn ich allerdings einen hervorheben müsste, dann war es Anna Singer.

Ich halte nichts von Superlativen, dennoch übernimmt Frau Singer einen nicht unwichtigen Teil meiner Karriere. Als Eva in die Anstalt überstellt worden war, in der ich zu damaliger Zeit arbeitete, galt sie als unheilbar. Jedes noch so kleine und unbedeutende Stück Einrichtung in ihrem Zimmer zerstörte sie. Man attestierte ihr eine bipolare affektive Störung, die dazu führte, dass die „normale“ Eva Singer unter einer jähzornigen Frau – einige mögen sagen „Biest“ -, die unfassbarste Kräfte besaß.

Eva Singer fand nicht, dass sie krank war. Wenn die Kinder auf der Straße spielten, erzählte sie mir, saß sie am Straßenrand und schaute vertieft in Gedanken auf den Boden. Die anderen Kinder trauten sich nicht, sie zu fragen, ob sie mitspielen möchte. Jeden Tag, als die Sonne aufging, war sie traurig – eine Art Trauer, ausgelöst von dem neu heranbrechenden Tag, der ihr kein Leid nehmen und keine Einsamkeit schenken konnte. Es gab für Eva Singer keine Erlösung.

 

 

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